Entsorgungsbranche gegen Rückkehr zur Mischtonne
Getrenntes Müllsammeln soll erhalten belieben – Wirtschaftsminister Glos schlägt Alternative zum Dualen System vor. Die Minister für Wirtschaft und Umwelt streiten öffentlich über die Zukunft des Grünen Punktes. Dennoch ist die Verabschiedung der Verpackungsverordnung angeblich nicht gefährdet. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erregte sich gestern heftig über ein Interview seines Kollegen Michael  Glos (CSU), der im Kabinett für das Ressort Wirtschaft verantwortlich ist. Er hatte in einem Wirtschaftsmagazin bezweifelt, ob es sinnvoll sei; Verkaufsverpackungen getrennt vom übrigen Haushaltsmüll durch das Duale System Deutschtand (DSD) sammeln und verwerten zu lassen. Dafür war eigens der Grüne Punkt erfunden worden mit dem solche Verpackungen gekennzeichnet werden. Glos gab zu bedenken; ob die dafür nötige Milliarden nicht besser verwendet werden könnten. Als Alternative schlug er vor, Verpackungen könnten entsorgt werden wie Elektrogeräte, nämlich über kommunale Unternehmen, die sie einsammeln und zur Verwertung privaten Entsorgungsfirmen überlassen. Ohne das DSD, das inzwischen Konkurrenz durch andere duale Systeme bekommen hat, kann sich der Umweltminister die Abfallentsorgung aber nicht vorstellen. Er möchte deshalb die Verpackungsverordnung ändern lassen und damit unter anderem verhindern, dass die materielle und finanzielle Basis der dualen System durch sogenannte Selbstentsorger ausgehöhlt werden kann. Auf diese Weise haben sich schon einige große Handelsketten vom DSD und seinen nicht unerheblichen Lizenzgebühren getrennt.

Die entsprechenden Änderungen der Verpackungsnovelle wurden am 19. September im Bundeskabinett verabschiedet. Für heute hat der Umweltausschuss des Bundestags die einschlägigen Experten zu einer .Anhörung dazu eingeladen. In dieser Situation wurden die Äußerungen des Wirtschaftsministers als Störmanöver gedeutet. Gabriel nannte es einen „abenteuerlichen Vorgang", solche Ideen "rauszublasen".

Er erinnerte seinen Kabinettskollegen daran, dass es einen gemeinsamen Vorschlag von Bund, Ländern und Wirtschaft gebe, und warf ihm vor, entweder ein begrenztes Wissen dazu zu haben oder ein begrenztes Interesse am Funktionieren dieses Teils der deutschen Wirtschaft.

Glos sagte dazu erst mal nichts. Eine Sprecherin seines Ministeriums erklärte gestern; sie wolle das nicht kommentieren. Es lag ihr aber doch daran klarzustellen, dass Glos Äußerungen sich auf ein Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode bezögen und die aktuelle Novelle der Verpackungsverordnung nicht gefährdet sei. Es gebe im Wirtschaftsministerium auch noch keine konkreten Konzepte über die künftige Entsorgung von Verpackungsabfällen. Der Minister wolle den Grünen Punkt in dieser Legislaturperiode nicht kippen, versicherte  sie.

Schon lange steht die separate Entsorgung von Verkaufsverpackungen in der Kritik. Die Wirtschaft hatte das DSD 1990 als Selbsthilfeorganisation gegründet, um die Rückgabe von Verpackungen  in den Geschäften zu verhindern. Schon bald forderte die damalige SPD-Opposition, es abzuschaffen, unter anderem wegen der hohen Kosten.

Das DSD weist darauf hin, diese seien in den letzten zehn Jahren stark gesunken. Für die Verwertung von Kunststoff (ohne Sammlung und Sortierung) hätten 1997 pro Tonne 397 Euro aufgewendet werden müssen, 2007 nur noch 100 Euro. Kritiker halten dem ein Gutachten entgegen, wonach die Kosten für das Duale System in Deutschland im Jahr 19,50 Euro pro Kopf betragen, in Frankreich dagegen nur 6,70 Euro.  Das DSD kommt wegen der höheren Verwertungsquote in Deutschland zu einer günstigeren Rechnung, bei der das deutsche System mit 29 Cent pro Kilogramm Kunststoff besser abschneidet als Frankreich und Österreich.

Die Verbände der Entsorgungswirtschaft haben sich hinter den Umweltminister gestellt. Die dualen Systeme hätten sich bewährt, hieß es vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE). Ein anderes flächendeckend einsetzbares System gebe es nicht. Der mittelständische Bundesverband - Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) lehnte es ab, zu einer Mischtonne zurückzukehren. Das wäre ein Rückschritt, meint der Verband.

Quelle: Stuttgarter Zeitung vom 10.10.2007, Seite 14