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Wissenschaftler fordern Kurswechsel beim Verpackungsrecycling Drucken
Biologische und technische Kreisläufe für Güter verbessern; Berlin - Verantwortungsvoller und nachhaltiger Klimaschutz könne nur dann wirkungsvoll sein, wenn die politischen Rahmenbedingungen Materialkreisläufe ermöglichen und neuen, recyclingfähigen Materialien einen Marktzugang eröffnen. So lautete der Tenor des Parlamentarischen Abends des Bundesverbandes Wettbewerb, Produktverantwortung und Innovation http://www.bwpi.de in Berlin. BW-Präsident Professor Carl Christian von Weizsäcker verwies auf die Notwendigkeit, Materialkreisläufe zu etablieren, die ein Recycling auf der gleichen Stufe der Wertschöpfungskette ermöglichen: „Wir haben es über Jahre hinweg hingenommen, dass hochwertige Produkte zu minderwertigen downgecycelt werden. Damit muss nun Schluss sein".

Als aktuelles Vorhaben nannte er die im Bundestag anstehende Novelle der Verpackungsverordnung. Hier bestehe die „große Chance, für recyclingfähige, innovative Kunststoffe einen geschlossenen Materialreislauf zuzulassen". Dabei bezog sich Weizsäcker auf ein Gutachten des Hamburgischen Weltwirtschaft Instituts (HWWI) http://www.hwwi.org. Die Studie empfiehlt, in der Verpackungsverordnung Innovationen vor allem in zwei Bereichen zu fördern: erstens bei ressourcenschonenden Verpackungsmaterialien und zweitens auf den verschiedenen Stufen der Abfall-Logistik. Erheblichen Nutzen sieht Weizsäcker auch für den Verbraucher.

Bislang sei die Verpackungsentsorgung in Deutschland im europäischen Vergleich bei weitem am teuersten, obwohl in allen EU-Staaten die gleiche Verpackungsrichtlinie zugrunde liege: Während jeder Franzose nur 6,70 Euro pro Jahr für die Entsorgung gebrauchter Verpackungen zu zahlen hat, muss ein deutscher Verbraucher rund 19,50 Euro bezahlen. „Wir zahlen also fast drei Mal so viel wie ein französischer Verbraucher. Hier sind erhebliche finanzielle Entlastungen in Sicht", ist Weizsäcker überzeugt. Um dies zu erreichen, fordert er substantiellen Wettbewerb bei der Entsorgung von Verkaufsverpackungen und die Verbesserung der Marktzugangschancen für innovative Materialien. Gastredner Professor Michael Braungart, Direktor der Internationalen Umweltforschungsgesellschaft EPEA http://www.epea.com, kritisierte, dass notwendige zukunftsweisende Innovationen durch kurzsichtige politische Reglementierungen behindert würden. Dies führe allenfalls zu marginalen Effizienzsteigerungen, nicht aber zu einem notwendigen Umdenken in der Umweltpolitik.

Daher forderte Braungart einen umweltpolitischen Paradigmenwechsel: Das bisherige Bemühen um Öko-Effizienz nach dem Motto „Reduzieren - Minimieren - Vermeiden" führe angesichts wachsender Weltbevölkerung in eine Sackgasse. Statt sich an diesem langfristig erfolglosen Ansatz zu orientieren, müsse sich eine moderne, nachhaltige Umweltpolitik an dem Grundsatz „cradle to cradle" - von der Wiege zur Wiege - ausrichten. Dieser Grundsatz strebe biologische Kreisläufe für Verbrauchsgüter und technische Kreisläufe für Gebrauchsgüter an. „Der Gesetz- und Verordnungsgeber hat die Chance und die Aufgabe, solche zukunftsweisenden Entwicklungen zu fördern", so Braungart. Man sollte so gute Rohstoffe erzeugen, die problemlos und ohne Verlusterscheinungen möglichst lange unter uns weilen – und benutzbar bleiben.

Die Leistungsbilanz des Grünen Punktes müsse nach Ansicht des Publizisten Dr. Heinz Hug kritisch beleuchtet werden. Einen Beitrag zur Ressourcenschonung könne er beim Müllsammler Duales System Deutschland (DSD) bislang nicht erkennen: „Das schöne Sprichwort ‚Manch einer sucht einen Pfennig und verbrennt dabei zehn Lichter' beschreibt das Problem", so der Autor des Buches „Die Angst-Trompeter". Die reine Mülltrennung über Gelbe Säcke und Tonnen hätte in den vergangenen Jahren bereits über 25 Milliarden Euro verschlungen mit bescheidenen ökologischen Effekten. Recycling tauge nichts, wenn man dafür mehr Stoff oder Energie benötige als zur ursprünglichen Herstellung des Gegenstands. (14.09.2007)

Verfasser: Gunnar Sohn; Quelle: http://www.ne-na.de

 
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